Streng botanisch gesehen ist die Kartoffelknolle keine Frucht, sondern ein stark verdickter unterirdischer Sprossteil. Sie dient der Reservestofflagerung und der vegetativen Vermehrung. Die an den Kartoffelknollen sichtbaren Vertiefungen, die "Augen", sind Seitenknospen aus denen die Keime, bzw. Triebe der neuen Pflanze wachsen. An den unterirdischen Trieben (Stolonen) wachsen neue Kartoffeln. Aus den oberirdischen Trieben wird die Staude mit den grünen Blättern, die die Nährstoffbildung der Pflanze übernehmen. Die eigentliche Frucht der Kartoffelpflanze sind die grünen Beeren, die sich an den oberirdischen Pflanzenteilen aus den Blüten entwickeln. Diese eignen sich aufgrund des hohen Solaningehaltes auf keinen Fall zum Verzehr. Sie haben aber für die Zucht eine besondere Bedeutung.
Bei der Züchtung einer neuen Kartoffelsorte beginnt man damit zwei Kartoffelsorten durch Übertragung von Blütenstaub zu kreuzen. Aus den Samen der Beeren werden dann Sämlinge gezogen. Dieser Vorgang wird auch generative Vermehrung genannt. In Deutschland werden zur Zucht neuer Sorten jährlich rund eine Million Kartoffelsämlinge herangezogen. Durch Selektion werden jedoch schon im ersten Aufzuchtjahr 96 % wieder verworfen. Insgesamt wird sechs bis sieben Jahre selektiert, bis sich die gewünschten Eigenschaften herauskristallisiert haben und eine Zulassung als neue Sorte beantragt werden kann. Daran schließt sich eine dreijährige Leistungsprüfung an, in der Ertrag und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten getestet werden. Nur acht bis zehn Neuzüchtungen bestehen jährlich diese Sortenprüfung und werden als anerkanntes Vermehrungsgut zugelassen. Voraussetzung zur Zulassung ist, daß die Sorte unterscheidbar, homogen, beständig und ein züchterischer Fortschritt erkennbar ist.
Neben der Neuzüchtung von Kartoffeln betreiben die Züchter nach der Zulassung auch eine sogenannte Erhaltungszucht, um die positiven Eigenschaften ihrer Sorten zu erhalten. Bei der rein vegetativen Vermehrung kommt es im Laufe der Jahre zu einem Abbau der positiven Eigenschaften.
2. Klassifikationskriterien | zurück zum Seitenanfang |
Zur Zeit sind über 160 verschiedene Kartoffelsorten in Deutschland zugelassen. Darüber hinaus werden aber auch Sorten aus dem europäischen Ausland mit einer EG-Zertifizierung in Deutschland angebaut. Weltweit gibt es wohl weit über 2000 Kartoffelsorten, ohne die Wildsorten mitgerechnet zu haben. Die einzelnen Sorten unterscheiden sich in einer Vielzahl von Merkmalen und sind für unterschiedlichste Verwendungszwecke geeignet. Die wichtigsten Merkmale werden hier kurz erläutert.
a. Reifegruppen und Verwendung | zurück zum Seitenanfang |
Die einzelnen Sorten unterscheiden sich in ihrer Reifezeit. So brauchen sehr frühe Kartoffeln nur 90-110 Tage, um erntereif zu werden, sehr späte dagegen über 140 Tage. Bei dem Verwendungszweck unterscheidet man eine Einteilung in Speise- und Wirtschaftssorten. Dabei müssen Speisesorten hinsichtlich ihrer äußeren Qualität sowie ihrer Koch- und Speiseeigenschaften bestimmten Qualitätskriterien genügen. Wirtschaftssorten sollten einen möglichst hohen Stärkeertrag aufweisen, um für die Herstellung von Stärke oder Alkohol gut geeignet zu sein. In beiden Eigenschaftsgruppen findet man Sorten, die sich zur Veredlung zu Chips, Pommes frites oder Trockenkartoffeln eignen. Das Bundessortenamt unterteilt das Kartoffelsortiment in vier Reifegruppen, die jeweils wieder nach Verwendungszweck unterteilt werden.
b. Knollenform | zurück zum Seitenanfang |
Die Knollenform wird aus dem Längen-Breiten Verhältnis der Knollen ermittelt. Knollen deren Länge bis zu dem 1,5 fachen der Breite beträgt werden als rund bis oval eingestuft. Sorten mit einem höheren Verhältnis als langoval bis lang. Diese Einteilung hat auch für die Handelsklassenverordnung Relevanz, da runde und ovale Sorten erst ab einem Querdurchmesser von 35 mm als Speisekartoffeln gehandelt werden dürfen, langovale und lange Sorten dagegen ab 30 mm Querdurchmesser.
c. Resistenzen/Anfälligkeiten | zurück zum Seitenanfang |
In der Leistungsprüfung zur Zulassung werden die Sorten auch auf Resistenzen gegen Kartoffelkrebs und Nematoden, ihre Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten sowie ihre Neigung zu unerwünschten physischen Ausprägungen getestet. Für die jeweilige Anfälligkeit oder Neigung werden Noten von 1 (sehr gering) bis 9 (sehr stark) vergeben.
Anfälligkeiten werden erfasst für: Viruskrankheiten, Rhizoctonia-Wipfelroller, Schwarzbeinigkeit, Krautfäule, Knollenfäule(im Lager) Eisenfleckigkeit und Schorf.
Neigungen werden erfasst zu: Zwiewuchs, Hohlherzigkeit, Wachstumsrissen, Rohverfärbung, Keimfreudigkeit (im Lager) und Beschädigungsempfindlichkeit.
d. Kocheigenschaft/Veredlungseigenschaft | zurück zum Seitenanfang |
Die Kocheigenschaft ist wiederum auch Bestandteil der Handelsklassenverordnung (HKVO) und muß beim Verkauf auf der Verpackung mit angegeben werden. Nach der HKVO gibt es drei Kochtypen: festkochend, vorwiegend festkochend und mehlig. Bei der Einordnung in diese drei Klassen werden die Ausprägungen mehrerer Eigenschaften bewertet. Dazu gehören die Farbe, Konsitenz, Struktur, Mehligkeit, Feuchtigkeit, Mängel im Geschmack, Kochdunkelung, Qualitätsstabilität. Um Standortunterschiede, Witterungseinflüsse und die subjektive Urteilsbildung der Testpersonen auszuschließen wird dieser Test an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Personen als Blindversuch durchgeführt.
Weiterhin wird eine Prüfung auf Veredlungseigenschaft durchgeführt. Hier werden die Rohverfärbung, der Stärkegehalt, die Chipsfarbe und die Qualität der aus der Probe hergestellten Pommes frites oder Trockenkartoffeln ermittelt.
e. Sonstige Eigenschaften | zurück zum Seitenanfang |
An sonstigen Eigenschaften werden noch Stauden und Knollenmerkmale wie, Blattfarbe, Blütenfarbe, Knollenzahl/Staude, Schalenfarbe, Fleischfarbe, Schalenbeschaffenheit und Augentiefe ermittelt.
3. Sorten | zurück zum Seitenanfang |
Der Landwirt hat nun die Aufgabe die Sorten zu finden, die einerseits gut zu seinen lokalen Gegebenheiten (Boden, Klima) passen und einen sicheren Ertrag bringen, andererseits nach der Ernte auch einen Absatzweg finden. So gibt es innerhalb Deutschlands verschiedene Präferenzen bezüglich der Kocheigenschaft. In Nord- und Westdeutschland werden eher festkochende Sorten bevorzugt, in Süd- und Ost-Deutschland dagegen eher mehlig oder vorwiegend festkochende Sorten. Über die Grenzen Deutschlands hinweg gibt es noch ganz andere Vorlieben. In Deutschland sollen die Kartoffeln möglichst gelbfleischig sein. Engländer lieben sie mit weißem Fleisch. Kartoffeln mit weißem Fleisch dürfen in Deutschland wiederum überhaupt nicht auf den Tisch. Aufgrund des großen Sortenspektrums beraten wir die Landwirte, die direkt an uns liefern intensiv bezüglich der Sortenwahl. Im Nachfolgenden möchten wir einige der gängigsten Sorten kurz vorstellen.
a. festkochende Sorten | zurück zum Seitenanfang |
Sorte | Züchter | zugelassen seit | Reife | Knollenmerkmale | besondere Eigenschaften |
Sieglinde | Kartoffelzucht Böhm Europlant |
1935 | früh | langoval, gelbfleischig | rel. anfällig für Krankheiten, kaum Resistenzen, gut im Geschmack |
Charlotte | UNICOPA (F) | 1981 | früh | lang, gelbfleischig | Bei hoher N-Verfügbarkeit Tendenz zur Stärkeansammlung |
Renate | Bavaria Saat | 1993 | früh | oval, gelbfleischig | viele Resistenzen, guter Geschmack, unser Favorit im Süd-Spanien Anbau |
Cilena | Nordkartoffel | 1981 | früh | lang, gelbfleischig | Schorfanfällig, sonst einige Resistenzen, guter Geschmack |
Belana | Europlant | 2000 | früh | oval, gelbfleischig | einige Resistenzen, guter Geschmack, gute Lagerfähigkeit |
Sava | Langbrugets Danespo (DK) |
1981 | mittel | langoval, gelbfleischig | viele Resistenzen und geringe Anfälligkeiten insbes. für Krautfäule. |
b. vorwiegend festkochende Sorten | zurück zum Seitenanfang |
Sorte | Züchter | zugelassen seit | Reife | Knollenmerkmale | besondere Eigenschaften |
Christa | Kleinwanzlebener Saatzucht AG | 1975 | sehr früh | langoval, gelbfleischig | Eine der ersten Frühkartoffeln aus Deutschland, guter Geschmack |
Berber | Friese Maatschappij van Landbouw/ZPC (NL) | 1984 | sehr früh | oval, hellgelbe Fleischfarbe | etwas später als Christa, guter Ertrag |
Marabel | Kartoffelzucht Böhm / Europlant | 1993 | früh | oval, gelbfleischig | geringe Anfälligkeiten, glatte Schale |
Secura | Kleinwanzlebener Saatzucht AG | 1985 | mittel | oval, gelbfleischig | etwas anfällig für Krautfäule, sonst einige Resistenzen |
Solara | Nordkartoffel | 1989 | mittel | oval, gelbfleischig | viele Resistenzen, geringe Anfälligkeiten, glatte Schale |
Granola | Pflanzenzucht Saka GbR | 1975 | mittel | rundoval, gelbfleischig | rauhe Schale -> nicht zum Waschen geeignet, gute Lagereigenschaften |
c. mehlig kochende Sorten | zurück zum Seitenanfang |
Sorte | Züchter | zugelassen seit | Reife | Knollenmerkmale | besondere Eigenschaften |
Bintje | K.L. de Vries / N.F.P. (NL) | 1910 | mittel | oval, hellgelbe Fleischfarbe | Durch Massenerträge etwas in Verruf gekommen, sehr gute Veredlungseigenschaften / Pommes |
Adretta | Norika | 1975 | mittel | oval, hellgelbe Fleischfarbe | etwas anfällig für Krautfäule und Wachstumsrisse |
Likaria | Norika | 1986 | mittel | oval, hellgelbe Fleischfarbe | etwas anfällig für Krautfäule |
Gunda | Europlant | 1999 | früh | rundoval, gelbe Fleischfarbe | Geringe Schwarzfleckigkeitsneigung einige Resistenzen, gute Lagerfähigkeit |
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Bundessortenamt, 2000, Beschreibende Sortenliste, Hannover: Landbuchverlagsgesellschaft
Hamester W., Hils U. 1998, World Catalogue of Potatoe Varieties 1999, Bergen/Dumme: Buchedition Agrimedia
Reuter B., 1993, Regionale Aspekte des Speisekartoffelabsatzes in: Kartoffelbau, 44. Jg.,(5)1993, Gelsenkirchen: Th. Mann
Rutz H.-W., 1998, Sorten- und Saatgutrecht, Bergen/Dumme: Buchedition Agrimedia
ZMP Bilanz Kartoffeln 1998/99, Bonn: ZMP
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